Meine Probleme mit Social Media

Das ist eine Liebesgeschichte.
Und wie alle guten Liebesgeschichten endet auch diese tragisch.
Oder zumindest wird sie das irgendwann.

Aber von Anfang an…

Es ist schwer vorstellbar, dass es eine Zeit gab, in der das Internet ohne Social Media existierte. Und ernüchternd, dass ich schon so lange Cartoons online veröffentliche, dass ich mich an diese Zeit erinnern kann.

Als Cartoonist ging es mir immer darum, mit meiner Arbeit möglichst viele Menschen zu erreichen. Zunächst nur aus Eitelkeit. 
Als ich mit meiner Cartoonwebseite anfing, war das ganze schliesslich nur ein Hobby und die Idee, mit Unterhaltung im Internet Geld zu verdienen, zumindest arg unrealistisch. Aber ich wollte, dass viele Leute sehen, was ich mache und freute mich, wenn ich alle paar Tage eine Mail von einer fremden Person bekam, die meine kleinen Bilder lobte.
Geld für Essen verdiente ich zwar keins, aber mein Ego ernährte sich von Komplimenten!

Erst nach und nach entwickelte sich der Wunsch, aus diesem brotlosen Hobby einen Beruf zu machen und damit Geld zu verdienen. Aber im Internet ging das nicht und Buchverlage waren mehr als zögerlich, wenn sie hörten, dass ich meine Cartoons bereits kostenlos für alle im Internet veröffentlichte. 

Doch selbst als es noch keine Bücher von mir gab und Jahre bevor der Begriff „Crowdfunding“ existierte, machte ich die Erfahrung, wie wertvoll es auch finanziell sein kann, viele Menschen online zu erreichen. 

Ich war grade frisch nach Berlin gezogen und mein Konto war leer, als mein Scanner plötzlich beschloss, sein kurzes Scannerleben quietschend zu beenden. Ohne Geld für einen neuen und ohne Freunde mit Ausweich-Scanner tat ich also das, was jeder naive 23jährige in dieser Situation getan hätte: Ich stellte meine Kontodaten auf meine Webseite und bat die Besucher in einem Text darum, mir für einen neuen Scanner ein bisschen was zu überweisen. 

Und das funktionierte. 
Es funktionierte sogar besser als ich erwartet hatte. Über die nächsten Tage trudelten ein paar hundert Mark auf meinem Konto ein. (Ja. Mark. So lange ist das her.) Ich konnte mir einen neuen Scanner kaufen und hatte sogar noch etwas Geld übrig.
Und ich hatte gelernt, dass es nicht nur für mein Ego schön ist, wenn die eigene Arbeit von vielen Menschen gelesen wird, sondern auch für meinen Geldbeutel. Zumindest theoretisch. Irgendwie.

Als 2003 dann mein erstes NICHTLUSTIG-Buch erschien, erwies sich der Fluch der bereits im Internet veröffentlichten Cartoons als riesiger Segen. Ohne es geplant zu haben, hatte ich mir über drei Jahre eine Community aufgebaut, die dafür sorgte, dass die erste Auflage des Buchs nach nur einer Woche vergriffen war. 

Als die erste Verlagsabrechnung kam, konnte ich endlich guten Gewissens behaupten, dass aus dem kleinen Hobby ein richtiger Beruf geworden war. Ich konnte meine Miete endlich selbst bezahlen, meinen Kühlschrank füllen und musste bei Dates nicht verschämt mit einer Tüte Münzen im Rucksack heimlich den Kellner bezahlen (Wirklich passiert). 

Was sich nicht änderte: Ich musste immer noch darauf vertrauen, dass die Leute von selbst auf meiner Webseite vorbeischauten, um zu kontrollieren, ob ich einen neuen Cartoon online gestellt hatte. Schon damals dachte ich, dass es super wäre, wenn ich die Cartoons zu den Leuten bringen könnte und nicht andersrum. 
Eine Art Plattform, auf der ich meine Cartoons hochladen könnte und auf der sich jeder seine eigenen Inhalte zusammenstellen könnte. Ich wollte Social Media.

Irgendwann kamen und gingen dann MySpace und StudiVZ, aber das waren eher Social-Media-Flirtereien und nix festes. Daher überspringe ich diese jugendlichen Episoden und erzähle direkt von meinem ersten großen Schwarm: 
Facebook.

Facebook war in Amerika schon einige Zeit am Start als es 2008 auch in Deutschland ankam. Und nachdem ich mein privates Profil eingerichtet hatte, machte ich mich daran, auch meinen NICHTLUSTIG-Cartoons eine Heimat auf Facebook zu schaffen. 

Es war toll zu sehen, wie jeden Tag mehr Fans dazu kamen und jeder gepostete Cartoon mit Likes belohnt wurde. Der Teil meines Hirns, der sich bisher mühsam von Mail-Komplimenten ernährte, wurde plötzlich mit Dopamin überschüttet. Über die Kommentare unter meinen Posts konnte ich außerdem schnell mit meinen Fans kommunizieren und selbst wenn ich nicht da war, konnten sie sich miteinander über meine Cartoons austauschen. 

Facebook war ein super Partner. Es sorgte dafür, dass meine Fans keinen neuen Cartoon verpassten und ich musste nicht mehr darauf vertrauen, dass sie von selbst auf meiner Seite vorbeischauten. Im Gegenzug brachte ich durch meine Cartoons mehr Publikum auf die Plattform.
Ich mochte Facebook.

Irgendwann lernte ich dann Twitter kennen. Zunächst nur der kleine Bruder von Facebook mit seiner Zeichenbeschränkung und keiner Möglichkeit, Bilder posten. Aber über die Zeit entwickelte sich Twitter weiter und ich lernte, die noch vorhandenen Einschränkungen sogar zu schätzen.

Und so waren wir eine Zeit lang eine glückliche kleine Familie, in der jeder seinen Teil beisteuerte. Ich produzierte Inhalte, Facebook und Twitter verteilten diese Inhalte fleissig und gaben mir die Möglichkeit, unkompliziert mit meinen Fans zu kommunizieren. So konnte ich neben den Cartoons auch auf neue Bücher und andere Produkte hinweisen, mit denen ich mein Geld verdiente. Alles war gut.

Doch dann veränderte sich etwas.

Plötzlich bekamen einige Fans nicht mehr alle Cartoons auf Facebook zu sehen. Einige sogar gar keine mehr. Meine geliebten Dopamin-Likes wurden weniger und gleichzeitig begann Facebook, mir vorzuschlagen, dass ich mehr Leute erreichen könnte, wenn ich nur ein bisschen Geld investieren würde.

Facebook hatte beschlossen, dass ich kein Partner mehr war, sondern ein Kunde.

Ich war schockiert. 
Konnte es sein, dass die jahrelange Turtelei nur vorgespielt war, um mich allmählich in eine Abhängigkeit zu bringen? Twitter war im Ausdruck seiner Absichten weniger direkt, aber auch hier hatte ich das Gefühl, dass ich bei weitem nicht alle Leute erreichte, die mir folgten.
Die Beziehung war definitiv nicht mehr gesund.

Das Problem war: Ich hatte keine Wahl.
Ich hatte meine Community und damit mein Geschäftsmodell über Jahre auf Facebook und Twitter eingeschworen und die Erwartungshaltung im Internet hatte sich grundlegend verändert. Inhalte kamen jetzt zum Publikum, nicht das Publikum zu den Inhalten. Mein Wunsch war wahr geworden und hatte sich gleichzeitig in ein fantastisches Druckmittel verwandelt, durch das ich in dieser Beziehung gefangen war.

Zudem wurde mir bewusst, dass die Moral der Plattformen nicht nur gegenüber mir sehr flexibel war. Immer öfter wurden Facebook und Twitter dazu benutzt, um Falschaussagen, Hassbotschaften und Drohungen zu verbreiten. Aber solange diese Posts genug Publikum und damit Werbe-Einnahmen generierten, schienen meine „Partner“ damit wenig Probleme zu haben und sahen sich nicht in der Verantwortung, etwas dagegen zu unternehmen.

Und so ist das auch noch heute:

Facebook und Twitter sehen mich vor allem als Kunden und sich selbst kaum in der Verantwortung, gegen Hass und Lügen vorzugehen. Aktiv werden sie nur, wenn ihr Image und damit auch der Aktienwert bedroht sind.

Mir ist klar, dass das in der Natur von Firmen liegt. Konstrukte, die darauf ausgelegt sind, Einnahmen zu generieren, halten sich traditionell wenig mit Stolpersteinen wie Moral und Fairness auf. Und Likes sagen wenig über kreative Erfolge aus. Die Dinge, die für mich in den letzten Jahren kreativ besonders wichtig waren, haben auf Social Media kaum Beachtung gefunden oder ich konnte sie dort gar nicht erst nutzen.

Manchmal flammt die alte Liebe trotzdem noch auf, wenn ich merke, dass es neben den vielen ärgerlichen Aspekten auch Dinge gibt, die ich sehr mag: 
Den direkten Kontakt zu Fans, die unmittelbaren Reaktionen auf Cartoons und seit einigen Monaten auch die finanzielle Unterstützung meiner Arbeit über Steady.

Trotzdem hängt über all dem immer die bedrohliche Macht der Plattformen. Letzten Endes entscheiden sie, wer meine Inhalte sieht, ob etwas wert ist, weiter verbreitet zu werden oder sang- und klanglos verschwindet.

Als ich vor einiger Zeit zum gefühlten 1000. mal darauf hingewiesen habe, dass es eine NICHTLUSTIG-Trickfilmserie gibt, kommentierten viele Leute überrascht, dass sie davon das erste mal hören. 
Die damals so komfortable Bühne ist zum unsicheren Nadelöhr geworden, durch das es nur ein kleiner Teil meiner Inhalte zum Publikum schafft.

Und nun?

Erstmal habe ich mich damit abgefunden, wie es ist und versuche, das beste daraus zu machen. Aber die Begeisterung ist einer Social-Media-Müdigkeit gewichen. Ein Grund, warum ich lange Zeit gezögert habe, mit Instagram überhaupt noch eine weitere Plattform in mein berufliches Leben zu lassen.

Positiv ist, dass die meisten Leute mittlerweile verstehen, dass Kreative nicht auf magische Weise dadurch reich werden, wenn ihre Posts viele Likes haben, sondern wir im Gegenteil von Facebook auch nur als potenzielle Kunden betrachtet werden.
Dieses Verständnis ist sehr wichtig, um nach und nach Alternativen zu Social-Media aufzubauen. Sei es durch alte Techniken wie Newsletter-Listen oder neue Konzepte wie Steady, die sich als Dienstleister und nicht als Plattform sehen. 

Social Media wird nicht schnell verschwinden und das muss es auch nicht.
Aber es ist schön, wenn diese Plattformen nicht mehr die alleinige Macht haben, über Reichweite und damit auch über beruflichen Erfolg zu verfügen.

Und als Privatperson finde ich die Nutzung von Facebook, Twitter und Instagram nach wie vor praktisch und will sie nicht missen.

Was könnt Ihr tun, um mich und andere Kreative in unserem Online-Unabhängigkeitskampf zu unterstützen? 

Ein paar Möglichkeiten:

• Abonniert meinen Newsletter! Da hängt keine Firma dazwischen und auch wenn es eine sehr altbackene Art ist, Updates zu bekommen, ist es immer noch die direkteste. Abmelden könnt Ihr Euch auch jederzeit. Hier geht’s zur Anmeldung!

• Geht auf meine Facebookseite und klickt ganz rechts auf den Button mit den drei Punkten. Dann auf „Abo-Einstellungen“. (Oder mobil direkt auf Abonniert jnd dann auf Abo-Einstellungen)
Hier könnt Ihr jetzt einstellen, dass wirklich ALLE Posts bei Euch angezeigt werden. „Als erstes anzeigen“ und „Standard“ sind die dafür besten Einstellungen.

• Werdet Unterstützer auf Steady!
Dadurch bekommt Ihr automatisch den Newsletter, könnt ausserdem alle Bonus-Panels ansehen, die ich für viele alte und neue Cartoons zeichne und unterstützt mich auch finanziell noch bei meiner Arbeit.

Und ansonsten versucht, die Plattform, auf der Ihr Euch gerne aufhaltet, zumindest zu einem freundlicheren Ort zu machen. Kommentiert nicht nur, wenn Ihr etwas nicht mögt, sondern lobt mehr, macht Komplimente und zeigt damit, dass Euch die Arbeit von jemandem etwas bedeuten. Das fragile Künstler-Ego wird es Euch danken und der kaltherzige Algorithmus lernt, dass er Euch auch weiterhin Inhalte (wie zum Beispiel Cartoons eines sehr fragilen Künstlers) anzeigen soll.

Und jetzt liket gefälligst diesen Post!
Papa braucht Dopamin!